Angela Reinhardt:
Eine Ohrfeige rettete ihr Leben
Die Kinder der in Konzentrationslager
verschleppten Sinti und Roma wurden von den Nationalsozialisten zu
Waisen erklärt und in die Fürsorge katholischer Kinderheime
gegeben. Auch Angela ist eines dieser Kinder.
In
der Heiligen St. Josefspflege in Mulfingen trifft die
Siebenjährige auf etwa 40 Kinder zwischen sechs und sechzehn, die
als »Vollzigeuner«, »Zigeunermischlinge« und
»Jenische« klassifiziert werden. Sie bleiben von Himmlers
Auschwitz-Erlass, der »Endlösung der Zigeunerfrage«,
so lange ausgespart, bis die »Rassenforscherin« Eva Justin
ihre Doktorarbeit über »das Artfremde« der
»Zigeunerkinder« abgeschlossen hat. Dann jedoch
kommt der Befehl aus dem Reichssicherheitshauptamt: Die Kinder werden
aus dem Heim direkt in das Vernichtungslager deportiert. Angela
überlebt, weil sie eine deutsche Mutter und damit noch einen
zweiten
Namen hat: Schwarz. Das führt bei den Behörden zu einer
Verwechslung, die von den Schwestern ausgenutzt wird. Als die Nazis von
den Kindern Fingerabdrücke nehmen, verbieten ihr die Schwestern,
sich daran zu beteiligen: »Du gehörst nicht dazu.«
Und als der große
Bus kommt, um die Kinder zu dem versprochenen »schönen
Ausflug« abzuholen, heißt es wieder: »Du gehörst
nicht dazu!« Angela versucht sich in den Bus zu schmuggeln und
bekommt dafür von der Schwester eine saftige Ohrfeige.
Die hat ihr das Leben gerettet.
Michail Krausnick
AUF WIEDERSEHEN IM
HIMMEL
Die Geschichte
derAngela Reinhard
176 Seiten, Fotos und Dokumente,
€ 13,-[D]/sFr 23,90
ISBN 3-570-14614-6
Taschenbuchausgabe
Unterrichtseinheit beim
Verlag
€ 6,99 [D]
ISBN
3-401-02721-2
ARENA-Verlag Würzburg
MEINUNGEN
Ich finde das Buch wirklich
hervorragend, vor allem,
weil es für unsere Arbeit im Schul- und Bildungsbereich von Nutzen
sein wird..., zumal ja immer noch ein eklatanter Aufklärungsbedarf zu
unserer Geschichte besteht.
Daniel Strauß, Verband deutscher Sinti und Roma
Der Autor erzählt die Geschichte Angelas ohne
falsches Pathos, aber dadurch um so eindringlicher. Ein Buch, das als Zeitzeugnis sowohl für
jugendliche als auch erwachsene Leser in keiner
Bücherei fehlen sollte.
Hannelore Müthing, Buchprofile für die katholische
Büchereiarbeit, Borromäusverein
Erzählerisch und
inhaltlich bestens gelungen. Das ist keines der Bücher, die
zuviel auf dem Buchmarkt sind.
B. Lang, Buchhändlerin, Legau
Spannend und ergreifend, in
einem Rutsch zu lesen. Krausnicks große Kunst ist es, den
Atem und Herzschlag der Zeitzeugin Angela Reinhardt wiederzugeben, ihre
authentische Sprache zu erhalten und damit den Menschen, der dies alles
erlebt und erlitten hat, sehr direkt zum Leser sprechen zu lassen. Und
bei allen Unterschieden:
Anne Frank und Angela Reinhardt sind Geschwister.
Dr. Gisela Wollstein, Evangelische Lesestunde
Ein außerordentliches Schicksal, das
aufwühlt und wütend macht. Für den Völkermord an
den Sinti und Roma ein Dokument von hohem
historischen Rang, für den heutigenKampf gegen
Unmenschlichkeit und Rassismus ist Krausnicks Buch eine höchst aktuelle Lektüre, die in alle
Schulen gehört .
Daniel Stern, Norwestdeutscher
Bücherbote
"Auf Wiedersehen im Himmel" ist
ein leises, stilles Buch
geworden.
Unaufgeregt wird gezeigt, wie Wissenschaft, Polizei und Behörden
einer reibungslosen Vernichtungsmaschinerie zuarbeiteten. Wie Kinder
von ihren Eltern getrennt und belogen wurden. Wie Kirche und Klerus
nicht immer die rühmlichste Rolle spielten, wenn es um den Schutz
geborenen Lebens ging.
Brigitte Jakobeit, DIE ZEIT
Ihr Buch ist eine Schutzimpfung
gegen Rassisten und Neonazis... Der größte Kindermord
in der Geschichte der Menschheit darf niemals vergessen werden.
Tanja R., Schülerin, Konstanz
Das Buch füllt eine Lücke, da es wenige
Jugendbücher zum Schicksal der Sinti und Roma im Dritten Reich
gibt. Aus den Erzählungen Angela Reinhardts und den Unterlagen der
St. Josefspflege hat Krausnick ein packendes,
authentisches Dokument gemacht.
Dorothee Rothfuß. MANNHEIMER MORGEN
Einzelschicksale wie die von Angela und Johann, das
sind fassbare Bilder, die auch die Schüler
gebannt verfolgten . Alle waren betroffen, einige fragten nach,
andere erwarben Bücher, um das Gehörte noch einmal intensiv
nachzulesen.
E. Ziegler, GELNHÄUSER TAGEBLATT
WIE "TARZAN" VOR DEN NAZIS FLOH
- Dass dieses Thema immer noch fesselt, zeigte die Reaktion der
Schüler, die bei der Lesung in der ehemaligen Synagoge
absolut still waren und den Autor danach mit Fragen
überhäuften: Eine gelungene Lesung über ein gelungenes
Buch.
(sr)
Rhein -Neckar-Zeitung
"Auf Wiedersehen im
Himmel" ist eine zugleich nüchterne und
anrührende Erzählung. Der Autor nimmt nicht das
Erzähler-Ich
der Angela Reinhardt ein, er berichtet als genauer Chronist über
die
kleine "Anscha". so gelingt es ihm, exemplarisch dem jugendlichen Leser
einen Einblick in die Rassenterminologie und Rassenideologie der
Nazis zu erläutern.
Ria Proske, Nationalsozialismus und Neonazismus
Ausgewählte
Kinder- und Jugendbücher
Ich
habe dieses Buch für eine Büchervorstellung an meiner
Schule ausgelesen und muss sagen, Ihr Buch hat mich wirklich zu Tränen gerührt. Ich habe noch
nie ein
so geniales Buch gelesen.
Sie haben meinen ganzen Respekt für Ihr Meisterwerk "Auf
Wiedersehen im Himmel".
Melanie,
Schülerin (CH)
Grauen in der Nachbarschaft, 25. August 2002 -
Die Schilderung des Schreckens aus der Sicht eines Kindes, macht das
furchtbare Unrecht für den Leser greifbar. Dieses Zeitdokument ist
besonders für die Jugendarbeit zu empfehlen.
Thomas
Bollmann, Neudenau (Jagst)
Auch ein Heimatbuch -
Von Burladingen über die Wälder der Schwäbischen
Alb und Friedrichshafen nach Mulfingen an der Jagst. Das sind die
Lebensstationen von Angela Reinhardt...
Michail Krausnick beschreibt einfühlsam Angelas abenteuerliches
Leben im Nationalsozialismus. Ein spannender
Roman, nicht nur für Jugendliche.
Peter Bräunlein, NATURFREUNDE in Württemberg
Ich habe Ihr Buch in einem Zug durchgelesen. Die
atmosphärische Dichte und die gekonnte Darstellung
zeitgeschichtlicher Zusammenhänge, die sich um die Biografie
anordnen, sind fesselnd und beinhalten eine
deutliche politische Botschaft und Mahnung.
Siegfried Frech, Landeszentrale für
politische Bildung
Wer sich nicht nur mit
diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte beschäftigen, sondern
zugleich auch ein packendes Buch lesen will, dem sei die Lektüre dringend empfohlen.
***
Sehr geehrte Frau Reinhardt,
mit großer Betroffenheit habe ich das Buch über Ihr
Schicksal in der Nazi-Zeit gelesen. Es ist mir ein besonderes Anliegen
Ihnen zu schreiben, wie sehr mir das Schicksal der Kinder von Mulfingen
nahe geht. Ich finde nicht die rechten Worte, um meine Trauer
auszudrücken.
Ich habe dieses Buch in meiner Schulklasse, einer 4. Grundschul- klasse
in Hamburg St. Pauli vorgelesen. Die Kinder haben mich nach dem
Faschismus und der Verfolgung befragt. Ihr Lebensbericht
schien mir sehr gut geeignet, um dieses Thema mit den Kindern zu
besprechen, da wir in der Klasse 8 Roma-Kinder aus dem ehemaligen
Jugoslawien
haben (außerdem sind es 6 türkische und 4 deutsche Kinder).
Wir sprechen häufig über das Schicksal der Roma...
Daher ist das Thema der Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma in
unserer Schule immer gegenwärtig.
Die Kinder waren beim Vorlesen Ihres Lebensberichtes
außerordentlich aufgewühlt. Jeden Tag fragten sie „Wann
liest du weiter vor?" Ich habe noch nie so intensive Unterrichtsstunden
erlebt. Sie haben sich immer wieder die Fotos im Buch angesehen und
gefragt: „Ist das Angela?" Einige Kinder haben geweint. Alle wollten
Ihnen unbedingt schreiben, um ihnen zu sagen, wie traurig sie das Buch
gemacht hat und wie froh sie sind, dass Sie überlebt haben...
Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es für Sie gewesen ist,
die Last der Vergangen- heit zu tragen und gleichzeitig die
Diskriminierungen zu erleben, denen Ihr Volk immer noch ausgesetzt ist;
Wir wünschen Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit, und Freude an
Ihren Kindern und Enkeln.
Mit großer Hochachtung
Ihre
Eva Walloch
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Seycan. Ich bin 10 Jahre alt und ich komme aus
Mazedonien. Ich bin ein Roma-Kind. Ich gehe in die Schule
Friedrichstraße. Ich wohne auf St. Pauli.
Es tut mir sehr leid, was im Heim passiert ist. Wieso wollten sie
unbedingt in den Bus einsteigen? Ich freue mich für Sie, dass Sie
überlebt haben.
Können Sie uns zurück schreiben?
Wie haben Sie es ausgehalten? Ich kenne Sie von dem Buch „Auf
Wiedersehen im Himmel". Meine Lehrerin hat uns vorgelesen.
Als Sie klein waren, waren Sie schön auf dem Foto.
Viele Grüße
Ihre Seycan
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
Ich heiße Murat. Ich komme aus der Türkei. Ich bin 10 Jahre
alt. Ich kenne Sie aus dem Buch „Auf Wiedersehen im Himmel". Es war
bestimmt sehr traurig, es war für Sie ganz schlimm, was Sie erlebt
haben. Könnten Sie uns ein Foto schicken? Wir würden uns sehr
freuen, wenn Sie uns schreiben.
Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Kibarie. Ich bin 11 Jahre alt. Ich
komme aus Mazedonien.
Ich bin in der Klasse 4a.
Ich finde es sehr traurig, dass die Männer die Kinder angelogen
haben. Frau Reinhardt, schreiben Sie uns auch einen Brief?
Viele Grüße
Ihre Kibarie
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Fitim, ich komme aus Albanien. Ich
bin 9 Jahre alt und kenne Sie aus dem Buch „Auf Wiedersehen im
Himmel". Dieses Buch hat uns unsere Lehrerin, Frau Walloch, vorgelesen.
Ich finde es sehr traurig, dass Sie so etwas Schlimmes erlebt haben.
Ich finde es gut, dass Sie das Buch geschrieben haben. Und ich finde es
sehr traurig, dass die Männer die Kinder im KZ sterben gelassen
haben.
Viele Grüße
Ihr Fitim Osmani.
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Fatih und ich bin 10 Jahre alt. Ich komm aus der
Türkei. Ich finde es schrecklich, dass so etwas passiert ist.
Ich wohne in Sankt Pauli und wir haben in unserer Klasse eine
Küche. Ich freue mich, dass Sie überlebt haben.
Viele Grüße
Ihr Fatih
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Sehr geehrte Frau Reinhardt!
Ich heiße Filiz. Ich komme aus Mazedonien. Ich bin 11 Jahre alt
und ich bin ein Roma-Kind.
Ich finde die Geschichte sehr traurig und dass sie
das alles erleben mussten und dass Sie sich trauen, das zu
erzählen. Ich freue mich, dass Sie noch leben.
Sehr geehrte Frau Reinhardt,
Mein Name ist Katharina und ich bin neun Jahre alt. Ich komme aus der
Schule Friedrichstraße in Hamburg und da hat meine Lehrerin
uns ein Buch vorgelesen
„Auf Wiedersehen im Himmel". Es ist sehr traurig. Ich habe eine Frage,
haben Sie bei Ihrem Dada weiter gewohnt?
Was Sie erlebt haben, das tut mir leid. Hatten Sie
sehr viel Angst? Es ist sehr schade, dass Sie nicht hier her kommen
können.
Viele Grüße
Ihre Katharina
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
mein Name ist Verica, ich bin 9 Jahre alt und ich komme aus
Jugoslawien. Es tut uns sehr leid, dass Sie das schon als kleines
Mädchen erleben mussten.
Ich finde das sehr schrecklich, dass die Männer die Kinder
angelogen haben, damit sie in das KZ kommen und sterben sollten. Aber
das Ende war schön, dass Sie Ihre Eltern gefunden haben. Und wir
finden das sehr schön, dass Sie noch leben. Wir würden
uns freuen, wenn Sie uns etwas von sich erzählen oder antworten.
Viele Grüße
Ihre Verica
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Valesca und ich bin 10 Jahre alt. Mich hat es sehr
traurig gemacht, dass außer Ihnen alle Ihre Freundinnen
umgebracht worden sind.
Ich würde mich freuen, wenn Sie uns schreiben würden.
Viele Grüße
Ihre Valesca
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Jusuf und ich bin 9 Jahre alt. Ich
komme aus Mazedonien und ich bin halb türkisch und halb Rom.
Ich wohne in St. Pauli. Es ist schlimm, im Krieg zu sein, ganz
sicher. Ihr Buch über den Krieg ist sehr traurig.
Tat die Ohrfeige von Frau Agneta sehr weh?
Viele Grüße
Ihr
Jusuf Sakirov
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
mein Name ist Tim und ich bin 10 Jahre alt. Es tut
mir sehr leid, was Sie als kleines Mädchen miterleben mussten.
Ich bin froh, dass Sie überlebt haben.
Ich finde das Buch „Auf Wiedersehen im Himmel" sehr gut, weil man dabei
sehr viele Informationen über damals kriegt, wie es bei den Nazis
war.
Viele Grüße
Ihr Tim
Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Dominic und ich bin neun Jahre. Ich bin drei Viertel
Deutsch und ein Viertel Portugiese. Ich finde es
schrecklich, dass die Sintis und die Juden im KZ umgebracht wurden. Ich
freue mich darüber, dass Sie überlebt haben. Stimmt es,
dass manche Sintis keine Kinder bekommen können? Bitte antworten
Sie uns.
Viele Grüße
Ihr Dominic
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Sabrina und ich bin halb Deutsche und halb Ghanesin.
Ich finde das sehr traurig, was Sie erleben mussten. Ich hoffe, es geht
Ihnen gut.
Es ist sehr traurig, dass Ihre Freunde damals ins KZ gekommen sind.
Viele Grüße
Ihre Sabrina
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Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich heiße Tomas und gehe in die vierte Klasse. Ich bin ein
Roma-Kind und meine Lehrerin hat uns das Buch „Auf Wiedersehen im
Himmel" vorgelesen.
Das war ganz gemein, als die Polizei deine Eltern und dich getrennt hat
und das war auch ganz fürchterlich, als die Nazis die Roma
und Sinti umgebracht haben.
Viele Grüße
Tomas Pavlovic
Sehr geehrte Frau Reinhardt,
ich bin Serhat Simsek. Ich komme aus der Türkei. Ich finde es
schrecklich, dass die Nazis die Roma und Sinti und Juden umgebracht
haben.
Es freut uns sehr, dass Sie überlebt haben...
Viele Grüße
Ihr Serhat Simsek, Klasse 4a
LESEPROBE
Am 9. Mai 1944 mussten die Kinder in der
Morgenröte alle sehr früh aufstehen. Es war ein herrlicher
Frühlingstag. Frischer Tau lag auf den Wiesen und an den
Hängen blühten die Obstbäume.
Eigentlich hätte es an diesem Tag
im Heim ein großes Fest geben sollen. Denn es war ein besonderes
Datum: der Namenstag der Schwester Oberin. Fräulein
Hagele hatte ihre Schülerinnen und Schüler extra Gedichte
und Lieder auswendig lernen lassen. Auch Angela hatte eins gelernt.
Jetzt
aber hatte das alles keine Bedeutung mehr.
Missmutig half Angela den kleineren
Mädchen beim Zöpfeflechten, beim Kämmen und beim
Anziehen. Es war eine merkwürdige Stimmung. Alle waren so
aufgeregt und nervös.
Zum Frühstück gab es diesmal
etwas Besonderes. Keine eklige Brotsuppe, sondern knuspriges, frisches
Brot, Margarine und Erdbeermarmelade. Und heißen, köstlich
duftenden Lindes-Kaffee.
Schwester Roswitha ging herum mit einer
großen Flasche »Mulfinger Goldwasser«, wie der
Lebertran genannt wurde, den sie immer zur Stärkung nehmen
mussten. Er schmeckte ekelhaft tranig und es war eine Qual, ihn
herunterzuwürgen. Alle
mussten einen Esslöffel voll nehmen. Manchen wurde so übel
von dem Fischgeruch, dass sie raus rannten. Als Schwester Roswitha zu
ihr kam,sagte sie trotzig: »Nein
danke, ich gehöre nicht dazu!« Und wollte den Löffel
wegschieben. Doch die Schwester sagte: »Gerade du brauchst eine
Stärkung, mein Kind!« Und schob ihr den Löffel in den
Mund.
Eine andere Schwester zog mit einer
Liste von Tisch zu Tisch und zahlte jedem Kind das von ihm Ersparte
aus: ein paar Markstücke, Groschen und Pfennige von der Sparkasse
Künzelsau. Von den Eltern geschenkt, von den Kindern erarbeitet.
Und manchmal auch eine von der Rassenforscherin ausgesetzte
Siegprämie.
»Wozu?« fragte Andreas.
»Wozu brauche ich fünf
Mark zweiunddreißig? Ist das für die Fahrkarte?«
»Damit ihr euch unterwegs
eine Suppe oder etwas Brot kaufen könnt!
Ein jedes unterschreibt hier, dass es sein Geld bekommen hat!«
»Warum?«
»Damit es seine Ordnung
hat!«
Danach ging es runter in die große Eingangshalle. Dort mussten
sich alle zu zweit aufstellen. Die Schwestern kontrollierten noch
einmal das Aussehen der Kinder und zogen den Buben die Scheitel nach.
»Ihr sollt doch nicht aussehen wie die Zigeuner!«
Noch immer hoffte Angela auf das Wunder,
doch noch mit auf den Ausflug zu dürfen, und wagte einen letzte n
Versuch.
Sie stellte sich einfach neben ihrer Freundin Maria auf.
Aber Schwester Agneta entdeckte sie auch dieses Mal und zog sie aus der
Reihe heraus. »Fort! Fort! Du gehörst nicht dazu!«
»Doch. Ich will aber!« Trotzig schüttelte Angela den
Kopf.
Und erhielt dafür eine schallende
Ohrfeige. Ausgerechnet von der Schwester, die ihr immer die
allerliebste gewesen war. An deren Rock sie sich gekrallt hatte, wenn
sie Angst hatte. Und die ihr die Tränen getrocknet hatte, als sie
beim
Schlittenfahren gegen die Mauer gestürzt war.
»Marsch, rauf in den Schlafsaal,
unter die Decke und Augen zu!«
Schwester Agneta hatte plötzlich dunkelrote Flecken im Gesicht.
Langsam, sehr langsam ging Angela die
Treppe hinauf. Sie war richtig wütend.
Wütend und traurig. Die Ohrfeige brannte und obwohl sie
durch ihre Tränen nichts sehen konnte, spürte sie, wie
alle ihr nachsahen, ihr, die nicht dazu gehörte.
»Wir machen einen Ausflug, und du man nicht!« rief
eine der ganz Kleinen hinter ihr her. Erst sehr viel später sollte
sie erfahren, wie nah sie damals am Rande des Todes gestanden
hatte.
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